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»Zum Schatz erwählt«

Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel und ihre Bibelsammlung

 

Wer Gottes theure Wort sich hier zum Schatz erwählt, Der kann nich reicher seyn; er findt drin was ihm fehlt.[…] Hier find ich Schatz‘ darnach die Diebe niemals graben. Die allzeit meine sind, auch noch im Tod mich laben.

Diese Widmung schrieb Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Lüneburg dem Braunschweiger Hofprediger Georg Ludolph Otto Knoch in eine Bibel, die sie ihm schenkte. Die Fürstin selbst war eine engagierte Sammlerin von »Gottes theurem Wort«, sie besaß etwa 1200 Bibeln, die sie kurz vor ihrem Tod der Sammlung in Wolfenbüttel vermachte und die sich bis heute an der Herzog August Bibliothek befinden.

Was bewegte die Fürstin dazu, eine so große Sammlung anzulegen? Das MWW-Projekt Weltwissen will dieser Frage nachgehen.

Elisabeth Sophie Marie (1683-1767)

Elisabeth Sophie Marie wurde als Prinzessin zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Norburg geboren. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wuchs sie am Hof ihrer Vormunde Anton Ulrich und Rudolf August in Wolfenbüttel auf. Sie kam also bereits in frühen Jahren in Kontakt mit der dortigen Bibliothek und ihrem Bücherreichtum.

Portrait Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel

Porträt der Herzogin Elisabeth Sophie Marie zu Braunschweig-Lüneburg von Balthasar Denner, 1747, © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel http://diglib.hab.de/?gemaelde=b-040

Im Jahr 1701 heiratete sie Adolf August, Erbprinz zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön, der jedoch bereits 1704 verstarb. Der gemeinsame Sohn starb mit nur vier Jahren am 4. November 1706. Nach einigen auch finanziell schwierigen Jahren wurde Elisabeth Sophie Marie 1710 die dritte Ehefrau August Wilhelms, Erbprinz von Braunschweig-Wolfenbüttel. Die Ehe blieb kinderlos.

An der Seite August Wilhelms wurde Elisabeth Sophie Marie 1714 regierende Fürstin. Obwohl nur sehr wenig über diese Zeit bekannt ist, geht aus der Literatur hervor, dass sich Elisabeth Sophie Marie wohl aktiv an der Regierung beteiligte. Sie verwaltete zudem eine Reihe eigener Ländereien, die ihr ein unabhängiges Einkommen garantierten.

Darüber hinaus trat die Fürstin als Förderin des berühmten Theologen Johann Lorenz von Mosheim in Erscheinung. Sie finanzierte sein Studium und unterstützte ihn bei seiner weiteren Karriere. Inwiefern er ihr eigenes theologisches Denken beeinflusste, muss noch untersucht werden. Elisabeth Sophie Marie betätigte sich jedenfalls auch als Autorin. Sie publizierte zwei Werke, in denen sie die Unterschiede des katholischen und lutherischen Glaubensbekenntnisses reflektierte.

Elisabeth Sophie Marie residierte auch noch nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1731 im Grauen Hof in Braunschweig, wo sie schließlich 1767 starb.

Die Bibelsammlung

Idealdarstellung der Bibelsammlung von Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Lüneburg, Johann Georg Schmidt, Braunschweig, 1752, © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel http://diglib.hab.de/drucke/tb-182/start.htm

 

Elisabeth Sophie Marie begann 1740 mit ihrer Bibelsammlung, die sie in ihrem Witwensitz im Grauen Hof in Braunschweig aufstellte. Im Laufe von nur 20 Jahren trug sie eine der größten und renommiertesten Sammlungen im deutschsprachigen Raum zusammen. Ihren eigenen gedichteten Worten zufolge schuf sie sich damit einen Schatz, der ihr auch noch nach ihrem Tod dienlich sein sollte. Daneben war ihr aber offensichtlich auch daran gelegen, die Sammlung auch Gelehrten zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund ließ sie durch den bereits oben erwähnten Georg Ludolph Otto Knoch 1752 einen Katalog ihrer Bibeln publizieren. Darüber hinaus gab Knoch ab 1754 auch die »historisch-critischen Nachrichten von der Braunschweiger Bibelsammlung« in zehn Bänden heraus, in denen er ausgesuchte Bibeln näher beschrieb und ihre Bedeutung für die biblische Exegese darlegte. Diese Publikationen scheinen breit rezipiert worden zu sein. 1752 berichtet etwa die Göttingische Zeitung von Gelehrten Sachen mit großer Begeisterung über die Sammlung und »daß bis iezo noch in der ganzen Welt ihres gleichen nicht gesehen worden seye«. Auch das Stammbuch Elisabeth Sophie Maries ist Zeugnis vom Interesse vieler Besucher, die sich die Sammlung in Braunschweig ansehen wollten.

Stammbuch der Herzogin Elisabeth Sophie Marie Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel  http://diglib.hab.de/mss/125-25a-extrav/start.htm

 

Obwohl bereits die Zeitgenossen die Sammlung als überaus bedeutend erachteten, wurden die Bibeln und ihre Besitzerin bis heute nicht systematisch erforscht. Wir wissen kaum etwas über die Motivation der Sammlerin, über die Finanzierung der Sammlung oder über den Kauf der Bücher. Das MWW Projekt Weltwissen will daher versuchen, die Sammlung zu rekonstruieren. Einerseits wird die physische Präsenz der Bücher an der Bibliothek verzeichnet und Besitzvermerke sowie Benutzungsspuren untersucht. Das Stammbuch soll dank einer digitalen Edition ausgewertet werden, um so Besucherinteressen zu rekonstruieren. Andererseits wollen wir der Sammlerin Elisabeth Sophie Marie anhand von Archivdokumenten, wie etwa Korrespondenzen, Rechnungen und Verwaltungsakten, auf die Spur kommen. Ihre gelehrte Sammeltätigkeit wurde bisher nicht nur unterschätzt, sondern weitestgehend von der Forschung ignoriert. Es ist nun endlich an der Zeit, ihren Schatz zu heben.

 

Dr. Joëlle Weis ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Projekt Weltwissen. Das kosmopolitische Sammlungsinteresse des frühneuzeitlichen Adels und Leiterin der Forschungsgruppe Ökonomie .

 

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