D as prämierte Plakat, das die Arbeits- und Forschungsfelder des E-Journals in einer Textcollage darstellt.
Mit Riesenschritten geht das Projekt E-Journal in die Zielgerade: Mit einem Call for Papers startet die "Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften", die vom Forschungsverbund MWW in Zusammenarbeit mit dem Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) herausgegeben wird, derzeit in die entscheidende Phase; Ende des Jahres sollen dann die ersten Artikel erscheinen. Jüngster Ritterschlag des Vorreiter-Projekts für digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften: ein hervorragender zweiter Platz beim Poster-Wettbewerb im Rahmen der diesjährigen Tagung des Verbands DHd, die vom 23. bis zum 27. Februar 2015 an der Karl-Franzens-Universität in Graz stattfand.
„Was heißt und zu welchem Ende produziert man ein geisteswissenschaftliches E-Journal? Innovationspotentiale des digitalen Publizierens am Beispiel der Zeitschrift für Digital Humanities“, so der Titel des prämierten Posters in Anlehnung an Schillers berühmte Antrittsvorlesung. Es stellt die Arbeits- und Forschungsfelder des inzwischen in "Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften" umbenannten E-Journals in einer Textcollage dar und wirft Schlaglichter auf Diskussionen, die konzeptionelle Entscheidungen des Projekts geprägt haben und prägen werden. Die Webseite zeigt den aktuellen Entwicklungsstand des Forschungsperiodikums, das sich Themen an der Schnittstelle von geisteswissenschaftlicher und digitaler Forschung widmet, als Open Beta Version.
Kanonbildung in Ansätzen erkennbar
Die rund 60 Poster-Präsentationen waren übrigens nur ein Format, in dem sich die rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Tagungsthema „Von Daten zu Erkenntnissen: Digitale Geisteswissenschaften als Mittler zwischen Information und Interpretation“ näherten. Auch in Workshops und Vorträgen wurden aktuelle Fragen der Digital Humanities diskutiert.
Drei thematische Schwerpunkte standen dabei im Mittelpunkt:
1) Welcher Mehrwert ergibt sich in der Forschung durch den Einsatz digitaler Methoden für die Erkenntnisprozesse in den Geisteswissenschaften?
2) Welche Bedeutung haben Daten bei der Generierung von Wissen in den Geisteswissenschaften?
3) Welche disziplinübergreifenden Synergien für die Theoriebildung sind aus den Methoden, Techniken und Infrastrukturen, die in den Digitalen Geisteswissenschaften entwickelt wurden, zu erwarten?
Der Mehrwert der digitalen Methoden für die Erkenntnisprozesse konnte anhand mehrerer Beispiele aus aktuellen Forschungsprojekten nachgewiesen werden. Die vorgestellten Projekte stammten aus ganz unterschiedlichen Disziplinen. Dabei führten insbesondere die Sprach- und Bildwissenschaften vor, wie durch angewandte DH-Methoden innovative Ergebnisse produziert werden. Aber auch kleinere Disziplinen, wie zum Beispiel die Theaterwissenschaft, greifen zunehmend auf DH-Ansätze zurück. Allen Vorträgen war anzumerken, dass sich bestimmte Methoden, Tools und Standards in den DH etabliert haben. Eine Kanonbildung ist zwar längst noch nicht abgeschlossen, aber in Ansätzen erkennbar.
Von Open Access zu Open Science
Netzwerkanalysen, die Visualisierung von Forschungsdaten und der Umgang mit geisteswissenschaftlichen „Big Data“ stellten nur einige Aspekte des zweiten Themenschwerpunktes dar. Die Frage der Generierung von Forschungsdaten stand dabei im Hintergrund, vielmehr konzentrierten sich die Beiträge auf die weitere Verarbeitung von Daten. Publikation und Distribution standen dabei im Fokus des Interesses. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass sich der Open Access-Ansatz, wie er von der Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften verfolgt wird, immer mehr durchsetzt und darauf aufbauend auch Open Science propagiert wird.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Themen scheint die Theoriebildung der Digital Humanities noch immer bei den „alten“ Fragen und Diskussionen zu verharren. Dies betrifft vor allem die fachliche Verortung der DH und ihr Verhältnis zur Informatik. Zwar betonen mittlerweile auch IT-Vertreter den Nutzen der digitalen Geisteswissenschaften für ihre Disziplin, und auch die Archäologie weist immer wieder darauf hin, wie wichtig sie für ihr Themenfeld seien. Dennoch gibt es noch keine verbindliche oder allgemein akzeptierte Definition, wie die DH einzuordnen sind: als eigene Fachdisziplin, als Nebenwissenschaft oder gar nur als eine Sammlung von Methoden und Werkzeugen? Eine mögliche Antwort lautet, dass jede Disziplin ihren eigenen Zugang zu den und ihre eigene Definition der digitalen Geisteswissenschaften braucht. Nichtsdestotrotz schreitet die institutionelle Verankerung der Digital Humanities in Deutschland spürbar voran.
Erfolg auf mehreren Ebenen
Überraschend war das Thema Digitale Editionswissenschaft auf der Tagung kaum präsent. Auch das Semantic Web wurde nicht in einem Maße thematisiert, wie es seinem Stellenwert in der aktuellen Forschungslandschaft entsprochen hätte. Offenbar sind die Inhalte und Methoden des Semantic Web noch nicht fester Bestandteil der digitalen Geisteswissenschaften. Das wird sich in Zukunft sicherlich ändern.
Insgesamt kann die zweite Jahrestagung des Verbands als Erfolg auf mehreren Ebenen bewertet werden: Die Community ist lebendig, und DH erfreut sich immer größerer Beliebtheit, was sich auch in der großen Teilnehmerzahl widerspiegelt. Die Vernetzung auf personeller und institutioneller Ebene schreitet voran, und es wird deutlich, dass immer mehr DH-Projekte voneinander profitieren.
Hier geht es zum Book of Abstracts der Tagung.
Impressionen zur Tagung finden sich hier.