Das Thema der diesjährigen Sommerschule des Forschungsverbunds MWW in Weimar „Wie entsteht ein Nationalautor? Konstruktion und Ambition“ hat gerade für mein Forschungsthema einen immensen Wert gehabt. Ich bearbeite in meinem Promotionsprojekt die Dante-Bezüge und den Dante-Diskurs in der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts, speziell in Realismus und Spätrealismus. Die Dozentinnen und Dozenten der Sommerschule haben mich in einer anregenden Arbeitsumgebung dazu angeleitet, Mechanismen bei der Entstehung von Nationalautoren im 19. Jahrhundert zu reflektieren und zu hinterfragen. Speziell die „Inszenierung“ von Nationalautorschaft und deren politische Hintergründe haben mich dabei beeindruckt. Wo könnte man dieses Thema besser bearbeiten als in Weimar?
Besonderer Glücksfall
Dantes „Göttliche Komödie“ erhält Relevanz für die deutschsprachige Literatur vor allem in der Romantik und Weimarer Klassik, da sich hier – in Verschränkung mit der Philosophie des Idealismus – einer der Ausgangspunkte der kulturellen Entwicklung des 19. Jahrhunderts darstellt. Für mich war es besonders wichtig, Goethes Bibliothek und die Herzogin Anna-Amalia Bibliothek (HAAB) zu besuchen und nachzuvollziehen, wie viel und welche italienische Literatur der Autor rezipiert bzw. welche Werke er für sammlungswürdig erachtet hat.
Ein besonderer Glücksfall war für mich, dass erst vor Kurzem eine Ausstellung der HAAB zu Dante und den Weimarer Klassikern mit dem Titel „Dante, ein offenes Buch“ zu Ende gegangen war und dass außerdem die Deutsche Dante-Gesellschaft Anfang dieses Jahres ihren Sitz samt Bibliothek nach Weimar verlegt hat.
Intime Einblicke
Natürlich war es unmöglich, alle Bestände in der vorhandenen Zeit durchzuarbeiten, aber ich habe doch einen produktiven Ausgangspunkt gefunden, der mich sicher bald nach Weimar zurückführen wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HAAB waren einfach fantastisch – immer bereit, Fragen zu beantworten, immer leidenschaftlich über ihre Aufgaben redend. Solch einen intimen Einblick in die Abläufe einer Archiv- und Studienbibliothek hatte ich noch nie. Lichtdurchflutete, moderne Arbeitsplätze, eine sehr gut aufgestellte Romanistik und Germanistik – mehr brauchte ich eigentlich nicht. Mehr gab es aber – dafür vielen Dank!
Laufrunden entlang der Ilm
Wie sehr habe ich auch die morgendlichen Laufrunden im Park an der Ilm genossen – gleich neben dem Hotel fängt das Grün an. Es ist etwas sehr Besonderes, noch im frühen Dunst neben dem Flüsschen und bei frischer Luft an Goethes Gartenhaus vorbeizulaufen, sich auf den Tag einzustimmen, danach gemütlich zu frühstücken und dann einfach über den Frauenplan ins Goethe-Nationalmuseum zu schlendern, um sich in dessen Festsaal, in dem die Seminare der Sommerschule stattfanden, wissenschaftlich auszutauschen. Ich habe so nicht nur an meiner Forschung gearbeitet, sondern mich auch gleichzeitig in der ruhigen Kleinstadt Weimar erholen können.
Blick vom Festsaal des Goethe-Nationalmuseums, in dem die Seminare der Internationalen Sommerschule stattfanden, auf Goethes Wohnhaus und Garten. Foto: Anne-Kathrin Gitter
Miteinander diskutieren und lachen
Auch die aus aller Welt angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren einfach fantastisch! Wir sind während der Seminare in einen intensiven Austausch gekommen – ich habe vor allem durch diese Diskussionen viel gelernt. Abends kann man sich in Weimar immer irgendwo gemütlich in ein Restaurant oder eine Kneipe setzen, den Tag bei netten Unterhaltungen ausklingen lassen, Kontakte knüpfen und gemeinsam lachen.
Ich bin sehr dankbar für die gemachte Erfahrung. Noch lange werden die Eindrücke und Ergebnisse dieser zwei Wochen in mir und meiner Arbeit nachwirken.
Anne-Kathrin Gitter promoviert an der Universität Leipzig zum Thema „Dante Alighieri im deutschsprachigen Realismus des 19. Jahrhunderts“.
Die zweite Internationale Sommerschule von MWW fand vom 1. bis 12. August 2016 in Weimar zum Thema „Wie entsteht ein Nationalautor? Konstruktion und Ambition” s tatt.